Vesuvio (Campania)

Giuseppe Battista: ”Lo’ncendio del Vesuvio”, in: Poesie meliche, Venedig 1665/66

 

In einer ‚arguten‘ metaphorischen Argumentation wird die an sich naheliegende Verbindung zwischen dem lebensgefährlichen Ausbruch des Vesuvs (1631) einerseits und der Umkehr des Sünders im Angesicht des Todes andererseits auf alternative (eben metaphorische) Weise hergestellt. Wir werden also dadurch überrascht, dass wir metaphorisch etwas lernen, das wir wörtlich schon wissen.
Oktave: Der Vesuv sieht aus wie ein von Zeus mit Blitzen hingestreckter Titan, ist aber ein Wetzstein. Das aus diesen Blitzen bestehende Schwert des Zeus wird nämlich bei der Explosion am Vesuv scharfgewetzt. Der optische Effekt hiervon ist ein Aufblitzen in Rauch, welcher wiederum das Antlitz des Mondes verhüllt. Dieses Feuer zerstört Steine, doch das verhärtete Herz des in Sünde erstarrten Betrachters vermag es nicht zu erweichen.
Aber, so das Sextett, die Geräusche des Vulkanausbruchs sind mit dem Posaunenchor der Unterwelt zu vergleichen, der die Parzen weckt, welche dem Betrachter den Lebensfaden abschneiden werden (hier ist die Verschiebung der Zusammenhänge ins Metaphorische besonders deutlich). Der Steinregen des Ausbruchs, der den stygischen Steinschleudern (frombe) zugeschrieben wird, ist demgemäß als Regen von Grabsteinen zu interpretieren, und mithin ist der Ausbruch des Vesuvs ein Memento Mori (das doch zur Umkehr mahnen müsste).
Die Pointe des Schlussverses liegt allerdings nicht unbedingt im Abschluss dieser sich über viele Verse hinziehenden ‚Metaphorisierung‘ des Zusammenhangs von Todesgefahr und Reue, sondern (auch) in einem syntaktisch-typographischen Phänomen: In der letzten Zeile beherrscht der in Mittelstellung mit Majuskel markierte „Ciel“ die beiden in einer metonymischen Relation zueinander stehenden Nomina, die die Außenpositionen des Verses einnehmen: „cener“ und „tombe;“ letzteres Wort schließt außerdem ein äußerst anspruchsvolles Reimparadigma.

 

Non è Gigante, no, che fulminato
qui le spalle combuste o volge, o scuote?
Ma la vindice spada il Cielo irato
aguzza di quel Monte in su la cote.

Scintilla il foco, e dentro fumo alato
vola di Cintia a mascherar le gote.
I macigni disface, e nel peccato
fatto duro il mio cor disfar non puote.

Il suon, che s’ode in quelle vie ritorte
tutto è fragor delle plutonie trombe,
che svegliano le Parche a darmi morte.

Sassi avventan quassù le Stigie frombe
per lapidarmi. E se da nubi smorte
cener mi piove il Ciel, mi piove tombe.

(Text nach: Ausgabe 1665)